Beim Genießen und Löffeln entstehen Gespräche über Gott und die Welt von ganz allein.
Alle zwei Jahre und manchmal öfter lade ich meine Nachbarinnen ein und wir sitzen zu acht oder zehnt bei Pasta oder Flammkuchen um unseren zerkratzten Küchentisch herum, schenken uns Wasser und Wein nach und lernen uns weiter kennen: die Rentnerin neben der Berufsanfängerin, die Goldschmiedin neben der Versicherungskauffrau. Wir erzählen von Erlebnissen und Sorgen und lachen, bis uns die Tränen kommen. Genauso hat Jesus sich eben auch mit Menschen an den Tisch gesetzt und ich finde, es ist ein unvergleichlich schöner Ort, um ihnen zu begegnen.
Wertschätzung ausdrücken
Ich mag das Wort Tischgemeinschaft, auch wenn es fast antiquiert klingt. Es drückt aus, dass eine Mahlzeit in geselliger Runde viel mehr ist, als gleichzeitig satt zu werden. Um einen Tisch zu sitzen, bedeutet Gemeinschaft zu erleben. Wer eingeladen ist, wird erwartet. Das vorbereitete Essen drückt Wertschätzung aus. Redezeit für jeden bedeutet, dass alle gehört und gesehen werden. Tischgemeinschaft macht tiefe Wertschätzung für Menschen erfahrbar. Zugleich schafft sie einen Raum für Austausch und Gespräche.
Ich glaube, sowohl Willkommensein als auch Gesprächsrahmen waren seine Gründe dafür, dass wir Jesus im Neuen Testament so oft bei einem gemeinsamen Essen beobachten können. Wertschätzung und Gespräche waren sicher wichtige Gründe, warum Menschen ihm folgten. Menschen zum Essen einzuladen, ist eine Form, wie ich Beziehungen gerne lebe. Beim Genießen und Löffeln und Fachsimpeln über Rezepte entstehen Gespräche ganz von allein.
Einen eigenen Rahmen gestalten
Rahmen für gemeinsame Mahlzeiten gibt es viele. Letztes Jahr haben wir und eine andere Familie etwa 50 Nachbarn zum Würstchengrillen in unserer Einfahrt eingeladen. Freunde, die im Mietshaus wohnen, haben das Waffeleisen im Treppenhaus aufgestellt, Waffeln verschenkt und mit jedem gesprochen, der vorbeikam. Nachbarn von uns veranstalten jedes Jahr ihren Neujahrspunsch mit Stockbrot für die Kinder. Auch so entstehen Begegnungen und Gespräche beim Essen.
Wir haben auch schon manchen Rahmen gestaltet, in dem neben dem Essen auch unser Glaube eine Rolle spielte, etwa einen Brunchgottesdienst bei uns zu Hause an Ostern. Der Bibeltext wurde in Verse zerschnitten und in Plastikeiern im Garten gesucht. Anschließend haben wir von Kreuzigung und Auferstehung gelesen. Zu Weihnachten haben wir in unserer Küche mit 15 Freunden an einem improvisierten Tisch ein liturgisches Tischmahl gefeiert. Wir haben Freunde aus dem Kindergarten zu den Segnungsgottesdiensten unserer Kinder eingeladen und anschließend gegessen und gefeiert und über manche Fragen gesprochen.
Menschen einzuladen, kostet etwas, klar: Ich muss mir Zeit nehmen, planen, mir Gedanken machen, einkaufen, putzen, kochen. Aber ich finde, der Aufwand steht im guten Verhältnis zur Wirkung. Denn wie schön wäre es, wenn wir Christen in unserer Nachbarschaft für unsere Gastfreundschaft, für unsere ehrlichen, tiefen Gespräche am Küchentisch, für unser Zuhören am Grill oder Waffeleisen bekannt wären. Meiner Erfahrung nach geht es in diesen Runden oft um ehrliche Fragen, aber selbst wenn es mal nur ein unbeschwerter Abend ist, an dem Beziehungen vertieft werden, bin ich sicher, dass ein gemeinsames Essen immer das große Festmahl am Ende der Welt widerspiegelt. Ich vermute, der Schlemmer und Weinliebhaber sitzt jedes Mal mitten unter uns.
Anja Schäfer
…lebt mit ihrem Mann David in Hamburg.
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