„Ich möchte alles über das Gebetsleben von apostolischen Leitern und Bewegungsstartern wissen. Hast du darüber etwas in deinem Buch geschrieben?“
Das war die spontane Reaktion von Joseph Nelson, dem leitenden Pastor meiner sendenden Gemeinde „Jesus-Haus“ in Düsseldorf, als ich ihm mein Buch „Movement Catalysts“ überreichte. „Es gibt nichts, worüber ich mehr wissen möchte, denn jeder Erfolg im geistlichen Dienst hat mit unserem Gebetsleben zu tun.“ Ohne meine Antwort abzuwarten, blätterte er zum Inhaltsverzeichnis und suchte nach einer Überschrift, in der Gebet erwähnt wird.
In meinem Buch gibt es einen solchen Abschnitt, aber dieser Artikel geht darüber hinaus und kommt dem Wunsch von Joseph und anderen entgegen, mehr darüber zu erfahren, wie man sein eigenes Gebetsleben vertiefen kann. Du bekommst hier einen Einblick in das Gebetsleben wirksamer Bewegungsstarter und einen Eindruck von der Qualität ihres Gebets. Wie immer werde ich auch einige ganz praktische Schritte vorschlagen, die du unternehmen kannst, um dein eigenes Gebetsleben zu vertiefen.
Sechs Faktoren für den Durchbruch einer Bewegung
Vor kurzem habe ich einen Artikel über „Faktoren, die Bewegungen wirklich in Gang bringen“ veröffentlicht. Dieser Beitrag wurde in kurzer Zeit häufiger aufgerufen als alle anderen Beiträge von mir. Ich habe darin die sechs Faktoren beschrieben, die mit dem Durchbruch von Bewegungen korrelieren, basierend auf der Grundlage einer Analyse der umfangreichsten Forschungsarbeit über Bewegungen überhaupt.
Drei der sechs Faktoren sind intern – Faktoren, die Bewegungsstarter mit ihren Teams und Partnern direkt beeinflussen und umsetzen können. Diese Faktoren sind:
- Entwicklung der richtigen Missionsstrategie
- Anwendung des Entdecker-Ansatzes
- Effektive Ausbildung von Leitern
Die anderen drei Faktoren, die mit Bewegungen korrelieren, sind spezifische Eigenschaften des einzelnen Bewegungsstarters. Die Forschung hat gezeigt, dass die Person des Bewegungsstarters wesentlich für die Entstehung einer Bewegung ist. Ein effektiver Bewegungsstarter zeichnet sich durch eine Reihe von besonderen Eigenschaften und Kompetenzen aus, die ich als katalytische Eigenschaften bezeichne. Ich habe bereits darüber gebloggt (siehe hier: „Erwartungsvoller Glaube und wie man ihn kultiviert“). Die drei katalytischen Eigenschaften, die mit dem Durchbruch der Bewegung korrelieren, sind:
- Tiefgehendes Gebet
- Einfluss auf die Überzeugungen anderer
- Durchsetzungsvermögen
In diesem Artikel konzentrieren wir uns auf die erste: Tiefgehendes Gebet.
Eine gründliche statistische Analyse von Bewegungen weltweit zeigt, dass letztlich sechs Faktoren tatsächlich mit einer Bewegung korrelieren. Drei davon sind Eigenschaften des Bewegungsstarters.
Wie viel beten effektive Bewegungsstarter?
Vielleicht hast du schon einmal gehört: „Zwei oder mehr Stunden Gebet am Tag sind normal für einen Bewegungsstarter”. Ich wollte selbst herausfinden, ob das eine Urban Legend ist oder ob es stimmt. Also fragte ich effektive Bewegungsstarter, wie viele Stunden sie durchschnittlich pro Woche (allein oder mit anderen) für die Menschen beten, die sie erreichen wollen. Die Antworten sind in der folgenden Tabelle aufgeführt.
Gebetsstunden pro Woche
Es zeigt sich, dass 41% aller effektiven Bewegungsstarter angeben, weniger als zehn Stunden pro Woche für die Menschen zu beten, die sie erreichen wollen. Das entspricht weniger als eineinhalb Stunden pro Tag. Die Aussage über das Gebetsleben der effektiven Bewegungsstarter kann also nicht bestätigt werden, sie trifft nicht zu. Allerdings verbringen 59% von ihnen zehn oder mehr Stunden pro Woche im Gebet, d.h. im Durchschnitt mehr als eineinhalb Stunden pro Tag. Von allen Bewegungsstartern beten 7% vier bis fünf Stunden pro Woche (weniger als eine Stunde pro Tag), 10% beten zwei bis drei Stunden pro Woche (weniger als eine halbe Stunde pro Tag) und 12% kommen auf 0-1 Stunde pro Woche (weniger als zehn Minuten pro Tag).
Vergleicht man jedoch die Stunden, die die effektiven Bewegungsstarter mit Beten verbringen, mit denen der Nicht-Bewegungsstarter, so zeigt sich ein gewaltiger Unterschied. Während 59% aller effektiven Bewegungsstarter zehn Stunden oder mehr pro Woche im Gebet für Menschen verbringen, tut dies nur ein Viertel der Nicht-Bewegungsstarter. Das sind 2,4 mal so viele!
Aus den Daten lassen sich mehrere Schlüsse ziehen:
- Die meisten effektiven Bewegungsstarter beten viel.
- Viele effektive Bewegungsstarter beten mehr als andere Pioniere, denen es nicht gelungen ist, eine Bewegung zu starten.
- Ein guter Teil (41%) der effektiven Bewegungsstarter betet deutlich weniger als erwartet.
- Einige effektive Bewegungsstarter verbringen nicht viel Zeit mit Gebet (weniger als 30 Minuten oder sogar weniger als 10 Minuten pro Tag).
- Die Korrelation zwischen intensivem Gebet und der Fähigkeit, eine Bewegung in Gang zu setzen, beruht also nicht nur auf der im Gebet verbrachten Zeit.
Zusammenfassend können wir nicht sagen, dass effektive Bewegungsstarter viel beten und dass dies zumindest teilweise erklärt, warum sie in der Lage sind, eine Bewegung in Gang zu setzen. Einige von ihnen beten erstaunlich wenig und haben dennoch eine Bewegung in Gang gesetzt. Wo sonst finden wir einen Zusammenhang? Mit anderen Worten: Was hat das Gebet mit dem Ergebnis einer Bewegung zu tun?
Ich vermutete, dass es nicht an der Quantität, sondern an der Qualität liegt. Aber ich wollte nicht voreingenommen sein und die Daten für sich sprechen lassen. Also habe ich weiter geforscht, um meine Hypothese zu überprüfen. Meine Arbeitshypothese war, dass es auf die Tiefe des Gebetslebens der effektiven Bewegungsstarter ankommt und nicht darauf, wie lange sie beten. Also habe ich mir die Daten (27.000 Datensätze aus 147 Bewegungen) noch einmal angeschaut und versucht herauszufinden, was das Gebetsleben der Bewegungsstarter ausmacht.
Ich wollte die Frage nach den Merkmalen des tiefgehenden Gebets der Bewegungsstarter beantworten.
Auf die Frage nach ihrem Gebetsleben nannten die Bewegungsstarter durchweg folgende Merkmale:
Ihre tiefste Sehnsucht ist ein Hunger nach Gott. Sie sehnen sich danach, ihn tiefer kennen und lieben zu lernen. Sie haben die geistlichen Disziplinen entdeckt, die ihnen am meisten entsprechen, und praktizieren sie oft und über einen längeren Zeitraum. Ihre Sehnsucht nach Gott selbst, nach einer echten Beziehung zu ihm, ist tiefer als ihre Sehnsucht nach den Früchten ihres Dienstes, nach einer Bewegung. Genau genommen suchen sie Gott nicht in erster Linie, damit er ihnen etwas gibt, nämlich eine Bewegung. Das hieße, Gott als Mittel zum Zweck zu benutzen. Vielmehr ist ihre Suche nach Gott das Ziel selbst.
Ihre Haltung ist das Hören auf Gott. Sie nehmen sich regelmäßig Zeit, um von ihm zu hören, auf ihn zu warten und seine Führung für ihr Leben und ihren Dienst zu suchen. Dabei sind sie bereit, allem zu gehorchen, was er sagt.
Ihr Gebet ist genährt von dem erwartungsvollen Glauben, dass Gott seine Macht durch ihr Leben zeigt, eine Bewegung wachsen lässt und viele zum rettenden Glauben führt.
Die Wirkung auf die Welt ist leidenschaftliche Fürbitte: Bewegungsstarter beten regelmäßig und leidenschaftlich für die Menschen, die sie erreichen wollen, damit viele in einer wachsenden Bewegung gerettet werden.
Diese vier Merkmale kennzeichnen das Gebetsleben der effektiven Bewegungsstarter. Und obwohl die Zeit, in der sie für die Menschen beten, sehr unterschiedlich ist (von mehr als anderthalb Stunden pro Tag bis zu weniger als zehn Minuten pro Tag), gibt es Ähnlichkeiten in den Eigenschaften, die ihr Gebet kennzeichnen und die sie selbst beschreiben. Ich möchte dich ermutigen, über diese vier Eigenschaften nachzudenken und sie in deinem Herzen zu verankern.
Hunger nach Gott ist ihre tiefste Sehnsucht. Das Hören auf Gott ist ihre Haltung. Erwartungsvoller Glaube ist der Treibstoff, der auf dem beruht, was Gott zu ihnen gesprochen hat. Leidenschaftliche Fürbitte ist die Folge.
Effektive Bewegungsstarter zeichnen sich durch TIEFES und nicht durch VIEL Gebet aus
Ein Argument gegen eine Überbetonung von VIEL Gebet
Vergleichen wir einmal das intensive Gebetsleben von Bewegungsstartern mit dem, was in vielen Gemeinden allzu üblich ist. Bei dem wöchentlichen Gebetstreffen einer Ortsgemeinde, an dem ich teilnahm, erschienen in einer Woche mehr Menschen als sonst. Der Mann, der das Treffen leitete, freute sich über die unerwartete Beteiligung und begrüßte die Betenden mit den Worten: „Wie schön, dass wir heute zehn mehr sind als sonst. Das macht es wahrscheinlicher, dass unsere Gebete heute erhört werden.” Hast du so etwas schon einmal gehört? Dahinter steckt der Glaube: Mehr Menschen beten –> mehr Gebete werden gesprochen –> die Wahrscheinlichkeit, dass Gott antwortet, ist größer.
Je mehr Menschen beten, desto mehr Antworten gibt es. Je mehr Gebete gesprochen werden, desto mehr Antworten gibt es.
Das ist magisches Denken! Es ist eine Vorstellung aus volkstümlicher Religion, die ihren Weg ins Christentum gefunden hat und das, was viele Christen für ein gutes Gebetsleben halten, beeinflusst. Das müssen wir zurückweisen, auch wenn es in der Kirche vielfach gang und gäbe ist.
Kürzlich bin ich in Singapur Taxi gefahren und habe mich mit dem buddhistischen Fahrer über Glauben und Gebet unterhalten. Er hatte auf dem Armaturenbrett seines Taxis eine Gebetsmühle, auch „Mani-Rad“ genannt. Eine Gebetsmühle enthält gedruckte oder handgeschriebene Mantras und Gebete. Wozu dient sie? Buddhisten glauben, je mehr Gebete sie sprechen, desto mehr Verdienste erwerben sie und desto größer sind ihre Chancen auf eine höhere Reinkarnation und schließlich auf das Nirwana. Jede Umdrehung der Gebetsmühle steht für eine Rezitation der Gebete im Inneren. Ironischerweise hat die technologische Entwicklung dazu geführt, dass Gebetsmühlen von Elektromotoren angetrieben werden, mit dem zusätzlichen Segen, dass sie sich jetzt mit größerer Geschwindigkeit drehen und das rund um die Uhr. Wir mögen etwas verächtlich auf solche Gebetspraktiken blicken, aber der Glaube, dass Gott häufigere und längere Gebete mit größerer Wahrscheinlichkeit erhört ist genauso heidnisch wie die Gebetsmühle meines Taxifahrers.
Erinnern wir uns an diese Weisung unseres Meisters:
„Beim Beten sollt ihr nicht leere Worte aneinander reihen wie die Heiden, die Gott nicht kennen. Sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen.” (Mat. 6,7 – NGÜ)
Jesus selbst prangert einen solchen Glauben als „heidnisch“ an. Seine Alternative im Reich Gottes ist klar:
„Macht es nicht wie sie, denn euer Vater weiß, was ihr braucht, und zwar schon bevor ihr ihn darum bittet.“ (Mat. 6,8 – NGÜ)
Wenn wir zu einem fürsorglichen Abba-Vater beten, kommt es im Grunde genommen weder auf die Anzahl der Worte noch auf die Länge unserer Gebete an. Es kommt darauf an zu wissen: „…euer Vater weiß, was ihr braucht,…“ Es ist die Qualität unserer Beziehung zu unserem Vater, die den ganzen Unterschied macht.
Wie hängen VIEL Gebet und TIEFES Gebet zusammen?
Um Missverständnissen vorzubeugen: Jesus ist nicht gegen viel Gebet (ich auch nicht!). Bei dem Versuch, viel Gebet mit tiefem, intensivem Gebet zu verbinden, hilft uns die Analogie zu menschlichen Beziehungen. Je mehr man in einer Ehe oder Freundschaft miteinander redet, je länger die gemeinsame Geschichte ist, je mehr Erfahrungen man teilt, desto tiefer kann die Beziehung werden. Aber das geschieht nicht automatisch. Quantität führt nicht automatisch zu Qualität in Beziehungen, wie jeder von uns weiß, der große Hoffnungen in eine Freundschaft gesetzt hat, die nie in die Tiefe ging und schließlich im Sande verlief. Ein gewisses Maß an Interaktion ist jedoch notwendig, damit sich Tiefe entwickeln kann. Viel Gebet kann helfen, zu einem tiefen Gebetsleben zu kommen. Gleichzeitig können wir in sehr kurzer Zeit mit anderen in die Tiefe gehen. Letzte Woche hatte ich ein Zoom-Gespräch mit einem Leiter in Australien, den ich noch nie zuvor getroffen hatte. Nach 80 Minuten intensiven Austausches hatte ich das Gefühl, dass wir wirklich in die Tiefe gegangen waren und eine bedeutungsvolle Begegnung hatten. Der Grund dafür war, dass wir beide in unserem Austausch wirklich wir selbst waren: authentisch, verletzlich, „nackt“.
Wirksame Bewegungsstarter haben ein tiefes Gebetsleben entwickelt – geprägt von einem Hunger nach Gott selbst, einer Haltung des Hörens auf Gott, erfüllt von erwartungsvollem Glauben und inbrünstiger Fürbitte als Auswirkung. Intensives Gebet führt oft zu viel Gebet, und viel Gebet vertieft das Gebet. Der Kreislauf kann sich fortsetzen…
Selbst-Coaching: Einschätzung des eigenen Gebetslebens
Wenn du dein Gebet intensivieren möchtest, lade ich dich ein, über die gegenwärtige Qualität deines Gebetslebens nachzudenken. Komm einfach in die gütige Gegenwart des Vaters und denke über die folgenden Fragen zum Selbstcoaching nach:
- Wie groß ist mein Hunger nach Gott selbst, meine Sehnsucht, ihm nahe zu sein, anstatt ihn zu bitten, etwas zu tun (auch eine Bewegung in Gang zu setzen)?
- Wie sehr ist meine Gebetshaltung eine Haltung der Abhängigkeit von Gott?
- Wie oft und wie gut höre ich auf Gott, anstatt ihm etwas zu sagen?
- Wie erwartungsvoll ist mein Glaube, wenn ich bete?
- Wie klar hat Gott zu mir darüber gesprochen, was er durch meinen Dienst und in meinem Umfeld tun will? Auf welche Weise möchte ich ihn suchen, um mehr Offenbarung zu erhalten?
Wachstumsschritte zu tieferem Gebet
Hier sind einige konkrete Schritte, um im Gebet zu wachsen. Ich habe sie aus dem Leben effektiver Bewegungsstarter und aus meiner eigenen geistlichen Erfahrung zusammengestellt:
- Mache eine ehrliche Bestandsaufnahme, wie viele Stunden pro Woche und wie viele Stunden pro Tag du im Gebet verbringst.
- Versuche, diese Zeit ein wenig auszudehnen.
- Plane Zeit für intensives Gebet und Fürbitte in deinen Wochenplan ein, so wie du es für jede andere wichtige Aktivität auch tun würdest.
- Intensives Gebet wird mehr erlebt und erfahren als gelehrt. Bete mit anderen, deren Gebetsleben tiefer ist als dein eigenes.
- Suche nach „kleinen Anfängen“ als Antwort auf deine Fürbitte und lasse sie deinen Glauben aufbauen. Ich schreibe jeden Tag etwas in mein Tagebuch zu der Frage: „Wo habe ich Gottes Hand an diesem Tag gesehen?”
- Schreibe alles auf, was Gott zu dir gesagt hat, worauf du deinen erwartungsvollen Glauben aufbauen kannst. Alles über deine Berufung und die deines Teams, alles über das, was Gott unter deinen Leuten, deiner Zielgruppe tun möchte. Das kann durch die Heilige Schrift geschehen, durch prophetische Worte, Träume, Visionen oder Eindrücke.
- Nutze das, was Gott gesagt hat, als Treibstoff für deine Gebete und als Verheißungen, die durch Gebet in die Wirklichkeit „übersetzt“ werden.
In meinem Buch Movement Catalysts kannst du mehr über die Best Practices von effektiven Bewegungsstartern erfahren. Du findest es hier! Wenn du diesen Artikel hilfreich fandest, teile ihn in deinem Netzwerk!
Zuerst erschienen im englischen Original auf www.catalyticleadership.info
Dr. Emanuel Prinz
Emanuel Prinz ist deutscher Nomade für Jesus und wurde von Gott gebraucht, um eine Gemeindegründungsbewegung mit hunderten Gemeinden anzustoßen. Heute dient er Werken und Denominationen weltweit als Consultant für Multiplikation von Jüngern und Gemeinden sowie Leiterentwicklung und coacht christliche Leiter. Er ist der Autor von Movement Catalysts.
Mehr über seinen Dienst findest du auf www.catalyticleadership.info
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